Näher zu den Menschen
Erstmals seit 1959 gibt es wieder eine linke Vertretung in der Tiroler AK-Vollversammlung. Außerdem erreichte die KPÖ drei Mandate bei der Innsbrucker Gemeinderatswahl und die Alternative Liste Innsbruck (ALi) konnte ihren Stimmenanteil verdoppeln und ist jetzt mit zwei Mandaten im Gemeinderat vertreten. „Die Arbeit” bat die neue GL-AK-Rätin und ALi-Gemeinderätin Evi Kofler zum Gespräch:
Liebe Evi, herzliche Gratulation. Wo liegen deine Schwerpunkte und wo erwartest du Synergieeffekte bei deinen zwei neuen Aufgaben?
Vielen Dank, ich möchte die Gelegenheit nutzen und meinen Kolleg:innen für die langjährige Zusammenarbeit und Unterstützung danken. Meine Schwerpunkte liegen, bedingt auch durch meinen beruflichen Hintergrund, klar im Sozial- und Gesundheitsbereich. Die letzten Jahre waren von Krisen, Herausforderungen und finanziellen Engpässen geprägt. Das hat Spuren hinterlassen. Es ist an der Zeit, die Menschen schneller und unbürokratischer zu unterstützen.
Ich sehe viele Möglichkeiten die beiden Funktionen zu verbinden. Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, Zuschüsse für Heiz- und Energiekosten, Begleitung bei Behördenterminen usw. Wir unterstützen und beraten – das war schon vor den Wahlen so, und wird auch weiter sein. Die letzte Gemeinderatsperiode hat deutlich gezeigt, dass es auch im öffentlichen Bereich einen kritischen Blick auf den Umgang mit den Beschäftigten braucht, im Magistrat und den ausgelagerten Betrieben.
Die Industriellenvereinigung will die wöchentliche Normalarbeitszeit auf 41 Stunden ohne Lohnausgleich verlängern. Was meinst du dazu?
Fehlendes Personal, höhere Anforderungen und Existenzängste aufgrund der enormen Teuerung erhöhen den Arbeitsdruck. Der Vorstoß der Industriellenvereinigung für eine Arbeitszeiterhöhung auf 41 Stunden ist deshalb nur respektlos.
Wir haben Jahre mit Produktivitätssteigerung und Gewinnzuwächsen hinter uns, die Löhne und Gehälter wurden aber nur minimal angepasst und unsere Kaufkraftverluste aus der hohen Inflation der letzten Jahre niemals wirklich abgedeckt.
Was muss deiner Meinung nach geschehen und welche Rolle müssen dabei die Arbeiterkammer und Gewerkschaften spielen?
Aufklärungsarbeit leisten, Bewusstsein schärfen und Druck mit Kundgebungen, Aktionen, aber eben auch Betriebsversammlungen und Streiks. Das verlangt progressive und mobilisierende Arbeiterkammern und Gewerkschaften und in den Betrieben starke Betriebsrät:innen, die für die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen direkt vor Ort arbeiten. Wir müssen näher zu den Menschen – nicht nur vor Wahlen, sondern das ganze Jahr über.
Aus mit dem ständigen Vertrösten und den Ausreden: Unabhängig von der Digitalisierung gibt es viele Arbeitsfelder – etwa der Gesundheitsbereich – bei denen die Reduktion der Arbeitszeit bei vollem Lohn und Personalausgleich mehr als nur überfällig ist. Wir brauchen dafür kurz- und mittelfristige Zieldefinitionen und die damit verbundenen Umsetzungspläne. Sonst bleiben wir an der Stelle, wo wir gerade sind – mit immer weniger Personal immer mehr leisten zu müssen.
Wir wünschen dir bei deinen neuen Aufgaben viel Erfolg und danke für das Gespräch.
(Das Interview wurde ursprünglich in der GLB-Zeitschrift „Die Arbeit“ Nr. 3/2024 veröffentlicht. Foto: Agnieszka Kulowska)