
In der Krise, die Kultur schweigen lassen?
Seit meiner Jugend in den Neunzigern bewundere ich Menschen, die sich leidenschaftlich der Kunst verschreiben.
Marco Frei im GLB-Magazin „Die Arbeit“ Nr. 1/2025
Und das ist absolut Spartenübergreifend. Menschen die Instrumente erlernen, Songs schreiben und sich darin verstehen diese aufzunehmen (was alles meist unbezahlte Arbeit darstellt), Menschen, die sich auf der Theaterbühne die Seele aus dem Leib spielen, die Leute, die ihnen die Worte in den Mund legen und die, die die Anweisungen geben, wann, wie und mit welcher Intensität das zu geschehen habe, andere Menschen, die die Bühnenbilder malen und ansonsten in ihrem Atelier an neuen Ausdrucksweisen und Darstellungsformen arbeiten. Und natürlich viele mehr.
Zusätzlichen Respekt zolle ich denjenigen, die alle existentiellen Risiken auf sich nehmen und sich freiberuflich um diese Dinge kümmern, trotz Widerstand, Vorurteilen und Misstrauen dran bleiben. Ich selbst habe mich das nie getraut, beziehungsweise habe ich später bewusst den Weg des relativ sicheren Brotberufes mit relativ flexibler Zeiteinteilung gewählt, um mir zu ermöglichen, Projekte umzusetzen, die nicht zwingend finanziell lukrativ sein müssen weil der Kühlschrank leer ist, die Waschmaschine kaputt und/oder die Miete noch offen ist.
Ich drücke mich bewusst vor den Projektbeschreibungen, Ausfüllereien von Förderansuchen, dem vielleicht noch mit Sponsoren reden müssen, mit deren Ideologie ich privat überhaupt nichts anzufangen weiß und den immer drohenden schlaflosen Nächten, weil das eine Stück, die eine Produktion, das eine Album aus Gründen, auf die du meist keinen Einfluss hast, NICHT funktioniert hat, das Publikum ausbleibt, ein Virus dir deine Verdienstmöglichkeit zudreht oder eine Immobiliengruppe dich einfach weg gentrifiziert.
Was noch dazu kommt: Verantwortliche in Politik, aber auch im gesellschaftlichen Diskurs glauben, sobald es eine Krise gibt, kann als erstes die Kultur schweigen oder ausfallen oder zumindest den Gürtel enger schnallen. Und dann stehst du da. Ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld, keine Rücklagen (weil das Vereinen teilweise nicht erlaubt ist), ohne gewerkschaftliche Unterstützung (weil niemand zuständig ist) und ohne Hoffnung, dass sich das irgendwann in absehbarer Zukunft ändert.
Dann beginnt die Selbstausbeutung, (die eh immer schon da war) den kompletten Raum zu füllen und aus kompletter Selbstaufgabe machst du Werbeaufträge ohne Substanz oder trägst auf andere Weise zur Zielgruppenberieselung und Profitmaximierung bei. Ohne Anspruch, ohne Emotion. Aus reiner Existenzangst. Darum bewundere ich alle Menschen, die TROTZDEM weitermachen. Wir brauchen euch.