Bilanz durchwachsen
Die Aufstockung des Wohnschirms um 60 Millionen Euro ist eine sinnvolle Maßnahme zur Delogierungsprävention. Allerdings bleibt das Problem hoher Wohnkosten ungelöst. Es bedarf einer Stärkung des gemeinnützigen Wohnbausektors und effektiver Maßnahmen gegen Leerstand.
BR Roland Steixner zum Wohnpaket der Bundesregierung in der GLB-Zeitschrift „Die Arbeit“
Die Aufstockung des Wohnschirms um 60 Millionen Euro ist zweifellos eine der sinnvollsten Maßnahmen des insgesamt durchwachsenen Wohnpakets der Bundesregierung. Denn diese Mittel dienen der Delogierungsprävention.
Auch bei den fiskalpolitischen Sparefrohs ist immerhin angekommen, dass die Folgen von Wohnungs- und Obdachlosigkeit so teuer sind, dass es sich rechnet, Geld in die Hand zu nehmen, um diese im Vorfeld zu vermeiden.
Die hohen Wohnkosten sind jedoch ein systemisches Problem, das grundsätzlicher anzugehen ist. Ein paar wesentliche Eckdaten dazu vorweg:
Aus dem Bericht der Statistik Austria (Wohnen 2022, Zahlen, Daten und Indikatoren der Wohnstatistik) geht klar hervor, dass unter den Gutverdiener:innen mit einem Haushaltseinkommen, das 180 Prozent des Medianeinkommens übersteigt, der Wohnkostenanteil am Einkommen wesentlich niedriger ist als unter den Geringverdiener:innen mit einem Haushaltseinkommen von weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens. Während die Hälfte aller Gutverdiener:innen nur etwa 7 Prozent des Haushaltseinkommens und Dreiviertel aller Gutverdienenden weniger als 12 Prozent des Einkommens für das Wohnen ausgeben müssen, hat die Hälfte der Geringverdiener:innen Wohnkosten in der Höhe von 38 Prozent des Haushaltseinkommens oder mehr zu stemmen. Die Schere geht hier sogar bei den Wohnkosten pro Quadratmeter auseinander. So haben Geringverdiener:innen und insbesondere Menschen in verfestigter Armut etwa doppelt so hohe Wohnkosten pro Quadratmeter zu schultern als Gutverdiener:innen. Und das, obwohl Menschen mit niedrigem Einkommen vom Bestand von kommunalen und gemeinnützigen Wohnungen in erster Linie profitieren. Ohne diesen würde die Schere zwischen Arm und Reich hier sogar noch weiter auseinander- klaffen, da Wohnen am privaten Markt im Schnitt deutlich teurer ist.
Gutverdiener:innen verfügen zudem oft über Haus- und Wohnungseigentum. Und im Eigentum wohnt es sich günstiger: Während die Hälfte der Hauseigentümer:innen nicht mehr als 10 Prozent des Einkommens für das Wohnen ausgibt und drei Viertel der Hauseigentümer:innen nicht mehr als 15 Prozent des Einkommens, muss die Hälfte der Mieter:innen mehr als ein Viertel des Haushaltseinkommens für das Wohnen bereithalten. Mieter:innen am privaten Wohnungsmarkt müssen im Vergleich zu den Hauseigentümer:innen mehr als dreimal so hohe Wohnkosten pro Quadratmeter tragen.
Während die höheren Wohnkosten der Niedrigverdiener:innen teilweise von der öffentlichen Hand bezuschusst werden müssen, generieren Besserverdienende über die Vermietung von Eigentumswohnungen ein Zusatzeinkommen, finanziert von den Mieter:innen und teilweise subventioniert von der öffentlichen Hand. Hinzu kommt, dass öffentliche Investitionen in die Infrastruktur auch in die Miet- und Kaufpreisbildung einfließen.
Um die Wohnungsfrage nachhaltig anzugehen, muss dauerhaft bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Dafür braucht es eine Stärkung des gemeinnützigen Wohnbausektors. Die Schaffung von günstigen Mietwohnungen im öffentlichen oder genossenschaftlichen Eigentum hat vor diesem Hintergrund absolute Priorität. Solange gemeinnützige Wohnbauträger jedoch Wohnungen verkaufen können, die letztlich wieder auf dem privaten Markt landen, geht geförderter Wohnraum an den Kapitalmarkt verloren. Und genau hier fehlt dem Paket der Bundesregierung die glasklare Ziel- setzung.
Im Gegenteil: Wohnungskauf wird durch die Streichung der Grundbucheintragungsgebühren sogar subventioniert. Davon profitieren jedenfalls nicht diejenigen, die am meisten unter den exorbitanten Wohnkosten leiden, wie die Daten der Statistik Austria unmissverständlich darlegen. Darin zeigt sich zweifellos die Hand- schrift der ÖVP.
Immerhin konnte der „Häuslbauerbonus“, den die „Sozialpartner“ gefordert hatten, abgewendet werden. Denn damit wären wahllos der Neubau und damit zusätzliche Bodenversiegelung subventioniert worden in Form von nicht rückzahlbaren Krediten. Die Gewerkschaft Bau-Holz unter Josef Muchitsch hat hier die Bundesregierung auf dem wohnungspolitischen Pannenstreifen erfolgreich rechts überholt.
Dabei ist klar: Die Wohnungsfrage lässt sich nicht in erster Linie mit dem Baukran beheben. Seit 2004 ist in Österreich die vorhandene Wohnfläche pro Kopf von 41 Quadratmeter auf 46,7 Quadratmeter gestiegen. Nicht die Ankurbelung der Bautätigkeit ist daher entscheidend, sondern die Mobilisierung von Leerstand. Und hier gibt es noch wenig Konkretes vonseiten der Bundesregierung. Höhere Leerstandsabgaben sind zwar sinnvoll, werden aber allein nicht ausreichen. Es braucht jedenfalls Maßnahmen, die sicherstellen, dass leerstehende Immobilien wieder einer zweckmäßigen Nutzung zugeführt werden. Notfalls durch ihre Vergesellschaftung.
Autor: BR Roland Steixner, Cartoon: Karl Berger